Studien zu Risiken von Psychopharmaka in der Schwangerschaft

(Fach-)Artikel, Studien und weitere wissenschaftliche Texte, Aufklärungsvideos etc. zum Absetzen von Antidepressiva, Benzodiazepinen und Neuroleptika (Antipsychotika)
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Studien zu Risiken von Psychopharmaka in der Schwangerschaft

zuletzt überarbeitet und aktualisiert im Oktober 2025

Wichtig:
Wenn unter Psychopharmaka eine Schwangerschaft auftritt, dürfen diese keinesfalls abrupt abgesetzt werden, es sei denn, der behandelnde Arzt hält dies medizinisch für zwingend erforderlich.



Antidepressiva



Einführung:

Serotonin ist ein wichtiger Neurotransmitter, der u.a. an der Signalübertragung zwischen den Nervenzellen im Serotoninsystem des Gehirns beteiligt ist. Darüber hinaus ist Serotonin an der Regulierung vieler Körperfunktionen beteiligt (z.B. Atmung, Blutgerinnung, Blasenkontrolle etc.)

Serotonin nimmt auch bei der fötalen Entwicklung eine entscheidende Rolle ein:
"In den ersten acht Wochen der schnellen fötalen Entwicklung sorgt es für die Kommunikation zwischen den Zellen der Embryonen und hilft den Zellen, sich zu vermehren, zu migrieren (aktiv bewegen) und sich je nach Bedarf im ganzen Körper und Gehirn zu entwickeln oder abzusterben. Es liefert die „zelluläre Sprache“ im Embryo-Bauplan."

Antidepressiva und andere Medikamente, die auf das serotonerge System einwirken, können daher Risiken für den Fötus und die Gesundheit des Kindes darstellen.

Zu den Risiken gehören u.a.:
  • Fehlgeburten
  • Geburtsfehler, einschließlich Herz- und Gesichtsfehlbildungen
  • intrauterine Wachstumsverzögerung
  • Frühgeburtlichkeit, niedriges Geburtsgewicht
  • niedrige Apgar-Werte (Indikatoren für die allgemeine Gesundheit des Neugeborenen)
  • Entwicklungsverzögerungen, Sprech-/Sprachstörungen
  • neuropsychiatrische Störungen
  • neonatales Entzugssyndrom
  • pulmonalen Hypertonie (Lungenhochdruck) bei Einnahme in der Spätschwangerschaft
Quelle: Vera Wild - Dubious Science: Downplaying the Risks of Antidepressants in Pregnancy, Dezember 2022 auf MIA (auf Deutsch anzeigbar)


Zusammenstellung von Studien und Ressourcen zum Thema Schwangerschaft und Antidepressiva
Auf Surviving Antidepressants findet sich eine ausführliche Zusammenstellung von Studien, Artikeln und Videos in englischer Spache
Link




Entzugssyndrom bei Neugeborenen
  • Neonatales Entzugssyndrom nach später SSRI-in-utero-Exposition

    In einer systematische Übersichtsarbeit und Metaanalyse wurden Entzugssymptome bei Neugeborenen, deren Mütter in der Spätschwangerschaft ein SSRI/SNRI Antidepressiva eingenommen hatten, ermittelt. Beschrieben wurden Hypoglykämie (Unterzuckerung), Tremor (Zittern), Hypotonie und Hypertonie (zu niedriger und zu hoher Blutdruck) , Tachykardie (beschleunigter Puls), schnelle Atmung, Atemnot.

    Die Studienautoren halten Absetzen/ langsames Ausschleichen von Antidepressiva während der frühen Phase der Schwangerschaft für einen Versuch wert, um das Auftreten dieses Syndroms zu verhindern.

    Quellenangabe:
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    Jianjun Wang, Fiammetta Cosci; Neonatal Withdrawal Syndrome following Late in utero Exposure to Selective Serotonin Reuptake Inhibitors: A Systematic Review and Meta-Analysis of Observational Studies. Psychother Psychosom 3 August 2021; 90 (5): 299–307. https://doi.org/10.1159/000516031
  • Neonatal withdrawal syndrome following in utero exposure to antidepressants auf Psychological Medicine, 2022
    Artikel dazu: Gesundheitsrisiken für Babies, wenn Antidepressiva während der Schwangerschaft verwendet werden auf Madinamerica

    Eine neue große Datenbankanalyse ergab, dass Babies, deren Mütter während der Schwangerschaft Antidepressiva eingenommen hatten, mehr als sechsmal häufiger an einem neonatalen Entzugssyndrom litten als Babies von Müttern, die andere Medikamente eingenommen hatten. Die am häufigsten berichteten Symptome waren Atemprobleme, Reizbarkeit/Unruhe, Zittern und Ernährungsprobleme. 84 % der Berichte über ein neonatales Entzugssyndrom wurden als schwerwiegend eingestuft.

    Das höchste Risiko wiesen trizyklische Antidepressiva (10,5-fach erhöht) auf, gefolgt von anderen Antidepressiva wie z.B. SNRI, Mirtazapin (5,9- fach erhöht), und den SSRI (4.68- fach erhöht). Kein erhöhtes Risiko schien es bei Bupropion zu geben.

    Die Forscher schreiben: "Bei der Abwägung potenzieller Vorteile und Risiken für die Verschreibung von Antidepressiva während der Schwangerschaft sollten Ärzte das Risiko eines Neugeborenen-Entzugssyndroms bei jeder Art von Antidepressivum nicht unterschätzen."

Lungenhochdruck bei Neugeborenen
  • *Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer und pulmonale Hypertonie, 2012

    Neugeborene deren Mütter in der Spätschwangerschaft ein SSRI Antidepressiva einnahmen, haben ein doppelt so hohes Risiko mit pulmonaler Hypertonie auf die Welt zu kommen.
    Bei einer Pulmonale Hypertonie (PH oder PHT) und pulmonal-arterielle Hypertonie (PAH) kommt es zu einem zunehmenden Anstieg des Blutdrucks im Lungenkreislauf, dadurch bedingte Atemprobleme, Herzinsuffizienz und unbehandelt zu einer durchschnittlicher Lebenserwartung von 3 Jahren.

    Die Studienautoren weisen darauf hin, dass schwangere Frauen vor der Verwendung von SSRI über dieses Risikos informiert werden sollten.
    Quellenangabe:
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    Kieler H, Artama M, Engeland A, Ericsson /span>, Furu K, Gissler M et al. Selective serotonin reuptake inhibitors during pregnancy and risk of persistent pulmonary hypertension in the newborn: population based cohort study from the five Nordic countries BMJ 2012; 344 :d8012 doi:10.1136/bmj.d8012
    Link zur Studie


Veränderte Gehirnentwicklung des Fetus unter Antidepressiva
  • Pränatale Exposition gegenüber SSRI-Antidepressiva steht in Verbindung mit der Entwicklung des fetalen Gehirns

    Bei dieser Studie der Columbia University Medical Center wurde bei Neugeborenen die in der Gebärmutter einem SSRI Antidepressiva ausgesetzt waren eine Vergrößerung von Amygdala und Inselrinde festgestellt.
    Dies deuten darauf hin, dass die vorgeburtliche SSRI-Exposition einen Zusammenhang mit der Entwicklung des fetalen Gehirns hat, insbesondere in den für die emotionale Verarbeitung kritischen Gehirnregionen.
    Quellenangabe:
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    Lugo-Candelas C, Cha J, Hong S, et al. Associations Between Brain Structure and Connectivity in Infants and Exposure to Selective Serotonin Reuptake Inhibitors During Pregnancy. JAMA Pediatr. 2018;172(6):525–533. doi:10.1001/jamapediatrics.2017.5227
    Link zur Studie


Erhöhtes Risiko für Entwicklungsstörungen
  • Erhöhtes Risiko für Sprach/Sprechstörungen
    In einer finnischen Studie aus dem Jahr 2016 zeigten Kinder, deren Mütter in der Schwangerschaft SSRI eingenommen hatten, ein um 37% erhöhten Risiko für Sprech- / Sprachstörungen im Vergleich zu Kindern, deren Mütter eine psychiatrische Diagnose hatten, aber keine SSRI-Antidepressiva einnahmen.
    Quellenangabe:
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    Postava K, Weissman MM, Gingrich JA, Sourander A. Assoziation von selektiven Serotonin-Wiederaufnahme-Inhibitoren-Exposition während der Schwangerschaft mit Sprach-, Scholastik- und Motorischen Störungen bei Nachkommen. JAMA Psychiatrie. 2016 Nov 1;73(11):1163-1170. doi: 10.1001/jamapsychiatry.2016.2594. PMID: 27732704.
    Link zur Studie
  • Erhöhtes Risiko in Sprache und Kognition
    In einer kanadischen Studie aus dem Jahr 2020 wurden Kindergartenkinder im Alter von 5 Jahren untersucht, deren Mütter in den 90 Tagen vor der Empfängnis eine Stimmungs- oder Angstdiagnose hatten. Die Kinder deren Mütter während der Schwangerschaft SSRI/SNRI eingenommen hatten, hatten um 40% häufiger Entwicklungsverzögerungen in Sprache und Kognition als diejenigen, die den Antidepressiva nicht ausgesetzt waren.

    Quellenangabe:
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    Singal D, Chateau D, Struck S, Lee JB, Dahl M, Derksen S, Katz LY, Ruth C, Hanlon-Dearman A, Brownell M. In Utero Antidepressants and Neurodevelopmental Outcomes in Kindergarteners. Pediatrics. 2020 May;145(5):e20191157. doi: 10.1542/peds.2019-1157. PMID: 32341177.
    Link zur Studie


Erhöhtes Risiko für psychische Störungen bei den Nachkommen
  • Erhöhte Angst- und Depressionssymptome

    Eine Studie aus dem Jahr 2025 die an Menschen und Mäusen durchgeführt wurde, zeigte, dass dass sowohl bei Mäusen als auch bei Menschen die in der Gebärmutter SSRIs ausgesetzt waren, dies zu einer hyperaktiven Amygdala führte. Beide zeigten als Jugendliche mehr Angst- und Depressionssymptome.
    Quellenangabe:
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    Zanni, G., van Dijk, M.T., Cagliostro, M.C. et al. Perinatal SSRI exposure impacts innate fear circuit activation and behavior in mice and humans. Nat Commun 16, 4002 (2025). https://doi.org/10.1038/s41467-025-58785-4
    Link zur Studie



Erhöhtes Risiko für Schwangerschaftsdiabetes
  • Antidepressiva erhöhen Risiko für Schwangerschafts-Diabetes Pharmazeutische-Zeitung.
    Laut einer Beobachtungsstudie der University of Montreal ist die Einnahme von Antidepressiva während der Schwangerschaft mit einem erhöhten Risiko für die Entwicklung von Diabetes verbunden. Das Diabetesrisiko um durchschnittlich 19 % erhöht. Am höchsten bei Amitriptylin (47%) und Venlafaxin (27%).
    Das Risiko steigt mit der Länge der Einnahmezeit.

    Link zur Studie



Risiken von SSRI in der Schwangerschaft
  • SSRI für Schwangere: Mehr Frühgeburten, Fehlbildungen und Verhaltensstörungen auf Medscape

    Nehmen Schwangere selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI) ein, ist dies mit Risiken für das Kind verbunden. In einer umfassenden Literaturabeit, die erstmals 2012 veröffentlicht wurde, stellten die Wissenschaftler eine Häufung von Fehl- und, Frühgeburten, nachgeburtlichen Komplikationen und möglicherweise langfristige Verhaltensstörungen fest.

    Verhaltensstörungen bei Säuglingen, wie anhaltendes Weinen, Unruhe und Schwierigkeiten beim Stillen kommen gehäuft vor. Es besteht ein erhöhtes Risiko für eine verzögerte motorische Entwicklung bei Säuglingen und Kleinkindern sowie für autistische Störungen.
    Die Studienautorin Domar kommt daher zu der Feststellung, dass SSRI während der Schwangerschaft oder bei Frauen mit Schwangerschaftswunsch unter strengster Nutzen-Risiko-Abwägung zu verordnen sind.


Frühgeburt durch Antidepressiva
  • SRI-Antidepressiva erhöhen das Risiko für eine Frühgeburt

    Eine Studie der Yale University 2012 fand heraus, dass die Einnahme von Serotonin-Wiederaufnahmehemmern Antidepressiva (SRI) während der Schwangerschaft das Risiko für eine späte Frühgeburt erhöht.

    Quellenangabe:Y
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    onkers KA, Norwitz ER, Smith MV, Lockwood CJ, Gotman N, Luchansky E, Lin H, Belanger K. Depression and serotonin reuptake inhibitor treatment as risk factors for preterm birth. Epidemiology. 2012 Sep;23(5):677-85. https://doi.org/10.1097/ede.0b013e31825838e9



Fehlgeburt durch Antidepressiva

*Antidepressiva als Fehlgeburtrisiko, Ärzteblatt 2010

Laut einer Fall-Kontroll Studie der Universität Montral könnte die Einnahme von SSRI Antidepressiva in der Frühschwangerschaft das Risiko eines spontanen Aborts begünstigen.
Überdurchschnittlich hoch war das Risiko bei den Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer sowie bei der kombinierten Behandlung mit verschiedenen Antidepressiva. Unter den einzelnen Substanzen stachen Paroxetin und Venlafaxin hervor.
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Fetaler Tod / Totgeburt durch Antidepressiva

Die Auswertung der WHO-Sicherheitsdatenbank (VigiBase R) im Jahr 2024 deutet darauf hin, dass die Einnahme von Antidepressiva besonders im ersten Schwangerschaftstrimester mit dem Tod des Fötus, einschließlich der Totgeburt, verbunden ist. Als fetaler Tod werden Totgeburten nach der 22. Schwangerschaftswoche bezeichnet. Citalopram, Clomipramin und Venlafaxin scheinen besonders beteiligt zu sein.

Quellenangabe: Pierre Desaunay, Maxime Eslier, Joachim Alexandre, Michel Dreyfus, Basile Chrétien, Fabian Guénolé,Antidepressants and fetal death: A systematic review and disproportionality analysis in the WHO safety database (VigiBaseⓇ),Psychiatry Research,
Volume 339,2024,116048,ISSN 0165-1781,
https://doi.org/10.1016/j.psychres.2024.116048.



Fehlbildungen durch Antidepressiva
  • Fehlbildungen durch Antidepressiva auf Medscape 2020

    Nach einer Studie Dr. Jennita Reefhuis, Direktorin der CDC-Abteilung für Fehlbildungen und Kinderkrankheiten in Atlanta, Georgia "kann die Einnahme des Antidepressivums Venlafaxin während der Frühschwangerschaft mit mehreren Geburtsfehlern in Verbindung gebracht werden, wie etwa Herzfehler, Defekte des Gehirns und der Wirbelsäule, Lippen- und Gaumenspalte, Hypospadie und Gastroschisis"
    Link zur Studie
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Re: Studien zu Risiken von Psychopharmaka in der Schwangerschaft

Neuroleptika


  • Schwangerschaftsdiabetes durch Neuroleptika

    Der Einsatz einiger Antipsychotika während der Schwangerschaft kann das Risiko für Schwangerschaftsdiabetes erhöhen

    Laut einer schwedischen Studie von 2022 besteht bei der Einnahme von Olanzapin, Clozapin und Quetiapin ein erhöhtes Risiko eines Schwangerschaftsdiabetes. Zudem war das Kind zu groß für das Schwangerschaftsalter

    Quellenangabe:
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    Heinonen E, Forsberg L, Nörby U, Wide K, Källén K. Antipsychotic Use During Pregnancy and Risk for Gestational Diabetes: A National Register-Based Cohort Study in Sweden. CNS Drugs. 2022 May;36(5):529-539. doi: 10.1007/s40263-022-00908-2. Epub 2022 Feb 26. PMID: 35220525; PMCID: PMC9095513.
    Link zur Studie

  • Neuromotorische Entwicklung bei Säuglingen

    Neuroleptika in der Schwangerschaft riskant? Medical Tribune 2012

    In einer prospektive Studie wurde festgestellt, dass die Einnahme von Antipsychotika während der Schwangerschaft die neuromotorische Entwicklung der Säuglinge beeinträchtigt. Für die Studie überprüfte man im Alter von sechs Monaten Körperhaltung, motorische Fähigkeiten, Muskeltonus und Reflexe.

  • Entwicklungsverzögerungen und ADHS

    Studie verbindet pränatale antipsychotische Exposition mit Entwicklungsverzögerungen und ADHS auf Madinamerica, 2024

    Eine an der National and Kapodistrian University of Athens durchgeführte Übersichtsarbeit zeigt einen Zusammenhang zwischen Einnahme von Antipsychotika während der Schwangerschaft und einem erhöhten Risiko für Entwicklungsverzögerungen und ADHS-Diagnose beim Kind. Kinder, die während des dritten Trimesters der Schwangerschaft atypischen Antipsychotika ausgesetzt waren, wurden viel häufiger mit Autismus diagnostiziert.
    Die Entwicklungsverzögerungen bestanden zumeist nur für die ersten 6 - 12 Monate
    Link zur Studie

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Re: Studien zu Risiken von Psychopharmaka in der Schwangerschaft

Benzodiazepine

  • Risiko einer Eileiterschwangerschaft

    Studie: Benzodiazepine erhöhen Risiko auf Eileiter­schwangerschaft Ärzteblatt 2020

    In einer Kohortentudie der Stanford University School of Medicine in Kalifornien wurde aufgezeigt, dass Frauen, denen in den 90 Tagen vor dem Beginn einer Schwanger­schaft Benzodiazepine verordnet wurden, ein erhöhtes Risiko auf eine Eileiterschwangerschaft hatten.

    Wall-Wieler rät daher allen Frauen mit Kinderwunsch, nach Möglichkeit auf die Einnahme von Benzodiazepinen zu verzichten. Bei einer ungeplanten Schwangerschaft sollten die Frauen auf mögliche Frühzeichen wie Blutungen oder Schmerzen im Unterleib achten.

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