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Erfahrungsbericht Lena: Kaltentzug von Citalopram - mein langer Weg zur Heilung

Erfahrungsberichte von Betroffenen, die bereits Psychopharmaka abgesetzt haben
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Team PsyAb
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Erfahrungsbericht Lena: Kaltentzug von Citalopram - mein langer Weg zur Heilung

eingestellt mit freundlicher Erlaubnis von Lena

Ihr Lieben,
hier meine Geschichte:

Die Vorgeschichte
Mit ca. 18 Jahren entwickelte ich eine Panikstörung mit Agoraphobie, weswegen ich 2008 Citalopram verschrieben bekam. Gleichzeitig machte ich eine Therapie. Es ging mir dann 2 Jahre super! Ich führte das hauptsächlich auf Citalopram zurück. Sah sie als „meine Retter“ an. Schleichend kamen dann die Ängste zurück. Ich hatte immer wieder „Panikzeiten“. Es war immer schwierig aber ich habe trotzdem alles hinbekommen. Mein Master gemacht, geheiratet, gearbeitet usw.. Ich war immer ein bisschen depressiv. Und mir viel auch immer wieder auf das ich emotional sehr abgeflacht war. Ich führte das aber niemals auf Citalopram zurück. Es ging mir nie so richtig gut, aber es war ok. Deshalb setzte ich aber Citalopram auch nie ab („Wenn ich schon mit Cita depressiv und panisch bin wie ist es dann wohl ohne“).
Immer wieder habe ich Psychiater gefragt ob es ein Problem ist die Tabletten auf so lange Zeit zu nehmen. Alle waren sich einig: absolut gar kein Problem!

Das Absetzen
In meiner ersten Schwangerschaft habe ich Citalopram weiter genommen. Auch hier waren sich wieder alle Ärzte einig: Kein Problem! Nach der Geburt kam es zu Schwierigkeiten bei meinem Sohn. Er konnte Zucker nicht halten, hatte komische Zuckungen und Krampfte immer wieder. Die Ärzte nannten es Anpassungsschwierigkeiten, Ursachen konnte sie keine nennen. Er musste eine Woche auf der Überwachungsstation bleiben. Ich machte mich selbst auf die Suche nach möglichen Ursachen. Und fand Berichte im Internet das Citalopram solche Auswirkungen haben könnte. Ich war verwundert, da die Ärzte ja meinten es sei kein Problem. Meinem Sohn ging und geht es Gott sei Dank dann aber sehr gut und ich hakte die Sache ab.

Ein Jahr später wurde ich aber wieder (diesmal ungeplant)schwanger. Ich beriet mich kurz mit meinem Hausarzt und setzte aufgrund meiner Vorerfahrungen 20mg Citalopram innerhalb von 10 Tagen ab. (10mg dann 0mg). Das war im April 2020.
Kurz danach hatte ich eine Fehlgeburt. Unsere Kleine hatte eine Chromosom-Störung. Ich wusste das sie die Schwangerschaft wahrscheinlich nicht überleben würde und hatte dann noch 6 Wochen Zeit mich von ihr zu verabschieden bzw. diese Zeit mit ihr zu genießen.

Es ging mir trotz all dem eigentlich ganz gut. Ich konnte endlich wieder fühlen (trotzdem führte ich die emotionale Taubheit der Jahre zuvor immer noch nicht auf Citalopram zurück…). Konnte um unser Kind trauern mich aber auch endlich so richtig an unserem ersten Sohn erfreuen. Körperliche Symptome hatte ich bis dahin noch keine. Bisschen Schwindel etc. nichts besorgniserregendes.

Im Mai hatte ich eine Ausschabung (mit Narkose was ja oft auch als trigger genannt wird). Und Ende des Monats landete ich praktisch über Nacht in der Hölle.

Der Entzug
Ich habe keinerlei Worte für das was dann passiert ist. Immer wieder habe ich die Symptome versucht in Worte zu packen um Menschen um mich herum zu erklären was da geschieht. Es war so schlimm für mich weil ich es selber nicht verstehen konnte. Ich war mir sicher ich werde sterben. Monate lag ich auf dem Sofa meiner Mutter und bettelte darum sterben zu dürfen und hatte gleichzeitig unendliche Angst jetzt sterben zu müssen. Die psychischen und körperlichen Symptome waren so extrem. Eins der schlimmsten Dinge war für mich der völlige Verlust von Identitätsgefühl und Bezug zur Umwelt.

Ich war mir sehr sicher das ist nicht nur psychisch. Alle (Ärzte, Familie) meinten klar das ist die Reaktion auf die Fehlgeburt „du reagierst doch immer mit Angst und körperlichen Symptomen“ etc.. Instinktiv oder auch aus Angst (ich hatte wirklich vor ALLEM Angst) verweigerte ich nochmal Antidepressiva einzunehmen. Ich werde Teile meines alten Threads nachfolgend reinkopieren. Dort sind einige Symptome versuchsweise beschrieben.

Zwei drei Monate später fand ich dann das adfd-Forum. Endlich verstand ich was das Problem sein könnte.

Wieder Eindosieren?
Als ich die Ursache nun also kannte stellte sich mir die Frage ob ich versuchen sollte wieder einzudosieren. Da ich ja schon einige Monate im Entzug steckte entschied ich mich dagegen. Ich denke hauptsächlich aus Angst. Angst irgendwas noch schlimmer zu machen. Rückblickend wünschte ich hätte es versucht. Denn anstatt das es besser wurde (ich dachte nach einem halben Jahr oder so muss es dann ja wohl langsam besser werden) wurde es schlimmer und schlimmer.

Die schlimmste Zeit
Ich denke die schlimmste Zeit hatte ich so ca. ab dem 10. bis zum 13. Monat nach null. Ich war durchgehend völlig benebelt. Ich saß apathisch da und habe irgendwie versucht mich um meinen Sohn zu kümmern. Täglich schrieb ich im Forum bettelte und flehte um Lösung. Ich war und bin völlig abhängig von meinen Eltern und meinem Mann. Ich konnte das Haus nicht verlassen, sofort völlige Reizüberflutung. Zusätzlich immer das Gefühl vor Schwäche umzukippen. Mehrere Menschen, Besuch konnte ich nicht ertragen. Jeden Morgen wachte ich mit unerträglicher Angst vor dem Tag auf, war mir sicher diesen werde ich nicht schaffen. Ich hatte Angst vor ALLEM. Wusste nicht wie man eine Spülmaschine einräumt. Und immer die Angst mich nicht mehr um meinen Sohn kümmern zu können. Mein Hirn funktionierte schlicht weg nicht mehr. Mein Körper fühlte sich an wie der einer 80- jährigen schwer kranken Frau. Jeden Tag von morgens bis abends das Gefühl das alles einfach nicht mehr aushalten zu können. Ich war nichts mehr und konnte nichts mehr.

Die Familie kann das alles nur begrenzt verstehen. Ich denke niemand der sowas nicht selbst erlebt kann das wirklich nachvollziehen was da passiert. Ständige Erklärungsversuche Unglaube von Ärzten und auch teilweise der Familie machten alles noch schlimmer.

Ich könnte hier ewig schreiben und versuchen zu beschreiben, immer mit dem Gefühl es kommt nicht in Ansatz rüber wie schlimm es war und ist.

Wann wurde es besser?
Es beginnt so schleichend dass man es nicht wahrnimmt wie es besser wird weil es immer noch schrecklich ist. Es fing damit an dass es abends ein bisschen besser wurde. Aushaltbarer. Dann habe ich begonnen Dinge zu tun von denen ich geschworen habe ich werde sie nicht überleben. Bin mit in Urlaub usw. . Schön war es nie. Ich weiß nicht ob ich es getan habe weil es besser wurde oder ob es dadurch besser wurde. Besser bedeutet aushaltbarere Momente und nicht mehr ganz so schlimm benebelt. Ich bin ein kleines bisschen mehr zurück in der Welt. Ich hatte einen Abend an dem es mir richtig gut ging, mit den anderen gelacht und entspannt war. Das war vor ca. einem Monat also 18 Monate nach Kaltentzug. Mein Umfeld betont das es deutlich besser ist. Trotzdem ist noch lange nichts gut. Ich wandere immer noch jeden Morgen mit meinem Sohn nach unten in die Wohnung meiner Eltern. Meine Mutter kocht immer noch für uns und ich bin immer noch nicht fähig ein annähernd normales Leben zu führen. Mit meinem Sohn alleine irgendwelche Unternehmungen machen ist unvorstellbar. Aber ich mache kleine Schritte mit vielen großen Rückschlägen. Gehe (mit anderen) nach draußen, mache kleinere Spaziergänge und gehe immer wieder mit einkaufen. Es ist noch ein langer Weg. Von dem ich jetzt dank des psyab-Teams hier weiter berichten kann.

So ich hoffe ich habe jetzt nicht erschlagen mit meinem Text. Ich werde jetzt noch nach und nach einige Texte aus meinem alten Thread einfügen. Mir hat es geholfen von anderen zu lesen- zu sehen dass es Menschen gibt die verstehen können wie es einem Entzug gehen kann. Vorallem auch die Symptome wo anders lesen zu können. und Ich hoffe hiermit etwas von dem was mir das alte Forum gegeben hat weitergeben zu können.

LG
Lena

ausführliche Tagebucheinträge von Lena (nur für registrierte Teilnehmer)
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