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Graduelle Reduktion - warum gleichbleibende Reduktionsgrößen kontraproduktiv sind

Informationen zu Absetzsymptomen, Grundlagen zum risikominimierenden Absetzen und Informationen über Methoden zum Absetzen
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Team PsyAb
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Graduelle Reduktion - warum gleichbleibende Reduktionsgrößen kontraproduktiv sind

Für viele Betroffene stellt sich die Frage: Warum soll ich immer nur 10% der letzten eingenommenen Dosis reduzieren? Warum nicht immer in gleich großen Schritten reduzieren?
Insbesondere, da die meisten Psychopharmaka fertig dosiert in der Apotheke nur in wenigen Dosierungs-Varianten erhältlich sind.

Um das ganze besser verständlich zu erklären, nehmen wir als Beispiel das SSRI "Citalopram".
Dieser Wirkstoff ist als Tablette in den Stärken 40mg, 30mg, 20mg und 10mg verfügbar. Die Tabletten sind meistens noch einmal teilbar.
Die kleinste fertig zu kaufende Dosis ist also 5mg.

Zunächst ist wichtig, dass SSRI wie Citalopram (und auch andere Psychopharmaka) eine Belegung von Botenstofftransportern im Gehirn bewirken.
Hier findet ihr eine vereinfachte Beschreibung, was bei der Einnahme ungefähr im Gehirn passiert: Grundlagen zu Antidepressiva (Abschnitt "Wirkprinzip der Antidepressiva")

Je nach täglich eingenommener Dosis Citalopram ist eine gewisse Menge an Serotonintransportern im Gehirn "belegt".
Hier findet ihr Grafiken zu den unterschiedlichsten Wirkstoffen und der Menge an Botenstofftransportern bzw. Rezeptoren, die bei ihrer Einnahme belegt sind: Belegung von Botenstofftransportern/Rezeptoren
Wird der Wirkstoff reduziert, werden diese Transporter bzw. Rezeptoren quasi "frei gelegt".


Lineare Reduktion (immer gleich große Reduktionsschritte)

Wie schon beschrieben ist Citalopram nur in bestimmten Wirkstärken erhältlich.
Deshalb empfehlen viele Ärzte eine Reduktion um jeweils 5mg um beispielsweise 30mg Citalopram abzusetzen.

Die folgende Grafik zeigt dazu die einzelnen Reduktionsschritte in farbigen Pfeilen an:
lineare Reduktion Citalopram.PNG
lineare Reduktion Citalopram.PNG (178.51 KiB) 2096 mal betrachtet
Man sieht, dass die horizontalen Pfeile (von rechts nach links), die die Reduktion der Dosis anzeigen, immer gleich groß sind. Man nimmt bei jeder Reduktion um 5mg weniger ein.
Dahingegen sind die vertikalen Pfeile (von oben nach unten), die die Reduktion der belegten Serotonintransporter anzeigen zunächst (anfangend bei dem schwarzen Pfeil) sehr klein und werden nach unten hin (bis zum grünen Pfeil) immer größer.
Insbesondere der letzte Reduktionsschritt (von 5mg auf 0mg) reduziert die Serotonintransporter-Belegung um fast 60%. Also über die Hälfte der Serotonintransporter wird auf einen Schlag quasi "freigelegt".

Deshalb ist das lineare Reduzieren (also das Reduzieren in gleichbleibend großen Reduktionsschritten) für das Zentralnervensystem so schwer zu verkraften. Während die ersten Schritte meistens noch relativ gut vertragen werden, stellt man das ZNS bei den letzten Schritten vor eine "Herkulesaufgabe". Denn es muss sich in nur einem Schritt daran gewöhnen, dass nun über die Hälfte der Serotonintransporter nicht mehr belegt sind.


Graduelle Reduktion (immer kleiner werdende Reduktionsschritte)

Reduziert man hingegen anfangs in größeren Schritten und vor allem zum Ende hin in kleineren Schritten, dann kann man verhindern, dass mit den letzten Reduktionsschritten übermäßig viele Serotonintransporter gleichzeitig "freigelegt" werden.
Bitte beachtet, dass die folgende Grafik nur als Veranschaulichung dienen soll. Da die Belegung der Serotonintransporter keine exakte individuelle Messung eines jeden einzelnen ist, sondern in der Grafik nur den Durchschnitt darstellt, können sich natürlich Abweichungen bei jedem einzelnen ergeben.
graduelle Reduktion Citalopram.PNG
graduelle Reduktion Citalopram.PNG (177.67 KiB) 2096 mal betrachtet
Hier sieht man, dass die horizontalen Pfeile (die die Reduktionen der täglichen Dosis darstellen) zunächst sehr groß sind und zum Ende hin immer kleiner werden (vom schwarzen Pfeil rechts bis zum letzten grünen Pfeil links). Das bedeutet, dass man zunächst größere Reduktionsschritte macht und je geringer die Gesamtdosis wird, desto geringer werden auch die Reduktionsschritte.

So werden die Reduktionen der Serotonintransporter-Belegung zum Ende hin nicht so groß, wie bei der linearen Reduktion. Der letzte Reduktionsschritt in diesem Beispiel (grüner Pfeil) legt nur 20% der Serotonin-Transporter frei im Gegensatz zu 60% bei der linearen Reduktion (erste Grafik oben). Das ZNS kann sich so mit jedem Reduktionsschritt besser an die Reduktion der Serotonintransporter-Belegung gewöhnen.

Durch die graduelle Reduktion der Dosis kann man also eine Überforderung des ZNS insbesondere bei den letzten Reduktionsschritten minimieren.
Mark Horowitz und David Taylor beschreiben die Wichtigkeit einer solchen graduellen Reduktion unter anderem in ihrem Artikel "Tapering of SSRI treatment to mitigate withdrawal symptoms".
Folgende Benutzer bedankten sich beim Autor Team PsyAb für den Beitrag (Insgesamt 2):
basic searcher, Rainer65
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