Grundlagen zu Benzodiazepinen

Wirkweise, Nebenwirkungen und Risiken von Antidepressiva, Benzodiazepinen, Neuroleptika (Antipsychotika) und Phasenprophylaktika
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Grundlagen zu Benzodiazepinen

Dieser Infotext ist eine Gemeinschaftsarbeit des Teams von adfd.org und wurde dort erstmalig veröffentlicht.


WICHTIGER HINWEIS: Dieser Artikel gibt eine Einführung in das Thema Benzodiazepine. Um diese Einführung leicht verständlich zu halten, sind sehr komplexe Zusammenhänge stark vereinfacht dargestellt.


Benzodiazepine gehören zur Gruppe der Angst- und spannungslösende Medikamente (Anxiolytika, Tranquilizer) und werden sehr häufig bei Unruhezuständen und Schlafstörungen eingesetzt.

Benzodiazepine sind hochwirksame Notfallmedikamente. Aufgrund des hohen Abhängigkeitspotentials, sollte eine Langzeitbehandlung vermieden werden.



Wirkprinzip der Benzodiazepine


Benzodiazepine binden im Gehirn an spezielle Rezeptoren an und verstärken dort die Wirkung der Gamma-Aminobuttersäure (GABA).
GABA ist ein "Neurotransmitter", ein Botenstoff im Gehirn. Er hemmt die Erregung von Nervenzellen und Benzodiazepine wirken dadurch angstlösend, beruhigend, muskelentspannend, krampflösend und schlaffördernd bis hin zu schlaferzwingend.



Einteilung von Benzodiazepinen nach Wirkdauer


Grob gesagt kann man bei Benzodiazepinen zwischen einer kurzen, mittleren und langen Wirkdauer unterscheiden. Dies hängt unter anderem auch mit der Halbwertszeit der einzelnen Wirkstoffe zusammen.
Halbwertszeit ist die Zeitspanne, innerhalb derer eine dem Organismus zugeführte Substanz von diesem um die Hälfte abgebaut wird. Die Halbwertszeit ist meist eng mit der Wirkdauer verbunden, Medikamente mit kurzer Halbwertszeit wirken kürzer, man bemerkt es meist deutlicher, wenn die Wirkung wieder aufhört und bekommt schneller Entzugssymptome wenn nach körperlicher Gewöhnung die Einnahme plötzlich unterbrochen wird. Bei sehr kurz wirksamen Benzodiazepinen kann es manchmal zu sogenannten "Minientzügen" kommen, das heißt man fällt noch zwischen den täglichen Einnahmen in Entzug durch das schnelle Absinken des Wirkstoffspiegels.


INFO: Steckbriefe zu einzelnen Wirkstoffen inklusive der Halbwertszeiten findest du im Beitrag "Steckbriefe zu einzelnen Psychopharmaka".


Kurz wirksame Benzodiazepine:
  • Brotizolam
  • Midazolam
  • Triazolam

Mittellang wirksame Benzodiazepine:
  • Lorazepam
  • Lormetazepam
  • Oxazepam

Länger wirksame Benzodiazepine:
  • Bromazepam
  • Chlor-diazepoxid
  • Clobazam
  • Clonazepam
  • Diazepam


Häufige Nebenwirkungen


Wie alle Psychopharmaka können Benzodiazepine mitunter starke Nebenwirkungen haben.
Unter anderen können das folgende sein:
  • Benommenheit und Müdigkeit
  • Verlängerung der Reaktionszeit
  • Schwindel und Gleichgewichtsstörungen
  • Abnahme der Konzentrationsfähigkeit
In der Schwangerschaft stellen alle Benzodiazepine ein Risiko für das Ungeborene / Neugeborene dar.


INFO: Steckbriefe zu einzelnen Wirkstoffen inklusive der häufigen Nebenwirkungen findest du im Beitrag "Steckbriefe zu einzelnen Psychopharmaka".



Abhängigkeitspotenzial bei Benzodiazepinen


Benzodiazepine sind Notfallmedikamente, keine Dauerlösung. Es wird empfohlen, Benzodiazepine nicht länger als 4 Wochen durchgehend einzunehmen. Benzodiazepine mit kurzer Halbwertszeit und stark angstlösender Wirkung wie Lorazepam und Alprazolam können in manchen Fällen sogar schon nach 1-2 Wochen täglicher Einnahme zu einer Abhängigkeit führen.
Faustregel: Die Einnahme so kurz wie möglich halten. Auch wenn ein Benzo vermeintliche Linderung bringt, es ist ein Notfallmedikament und nichts anderes.

Auch als Bedarfsmedikament muss man Benzodiazepine sehr vorsichtig einsetzen, die Einnahme sollte nicht häufiger als etwa 3 mal im Monat erfolgen. Auch unregelmäßige Einnahme kann früher oder später zu einer starken körperlichen Abhängigkeit führen, zudem besteht die Gefahr einer psychischen Abhängigkeit (Sucht) wenn man zu häufig schnell wirksame Medikamente zur Symptomunterdrückung einsetzt.

Bei längerer Benzodiazepineinnahme, gerade im niedrigeren Dosisbereich, liegt häufig eine rein körperliche Abhängigkeit (Gewöhnung) vor, bei der das Absetzen zu Entzugssymptomen führt, man aber keinen Kontrollverlust über die Einnahme erfährt und nicht das zwingende Bedürfnis verspürt die Dosis zu erhöhen.

Es kann als Komplikation jedoch auch eine starke psychische Abhängigkeit (Sucht) hinzukommen, in Folge derer man große Schwierigkeiten haben kann, eine gleichbleibende Dosis einzunehmen und kontrolliert langsam runter zu dosieren. In diesem Fall ist dringend notwendig, sich Hilfe bei einer Suchtberatung und/oder Selbsthilfegruppen zu suchen. Ein ambulantes, schrittweises Absetzen ist bei ausgeprägtem Suchtverhalten oft sehr erschwert.


INFO: Weitere Informationen zum Absetzen findest du in der Rubrik "Grundlagen zum Absetzen".



"Toleranzentwicklung" bei Benzodiazepinen


Toleranzentwicklung bedeutet, dass der Körper sich an eine Substanz gewöhnt und die Wirkung dadurch über einen gewissen Zeitrahmen abnimmt. Darum erhöhen viele Benzodiazepinabhängige die Dosis, um den gewohnten Effekt zu erzielen.

Benzodiazepine mit kurzer Halbwertszeit (z.B. Lorazepam, Alprazolam) führen schneller zu einer Dosiserhöhung, weil der Blutspiegel immer wieder absinkt und der Patient das Gefühl bekommt, eine weitere Tablette zu benötigen.


INFO: Steckbriefe zu einzelnen Wirkstoffen findest du im Beitrag "Steckbriefe zu einzelnen Psychopharmaka".


Durch Toleranzentwicklung und schwankenden Blutspiegel kann es auch trotz Einnahme einer täglich konstanten Dosis zu Entzugserscheinungen kommen.


INFO: Weitere Informationen zum Absetzen findest du in der Rubrik "Grundlagen zum Absetzen".



Z-Drugs


Z-Drugs (auch "Z-Substanzen"), sind Wirkstoffe aus der Gruppe der Hypnotika (Schlafmittel). Sie binden wie Benzodiazepine an die GABA-Rezeptoren.
Sie unterscheiden sich von Benzodiazepinen dadurch, dass sie an eine spezielle Untereinheit der GABA-Rezeptoren binden und deshalb insbesondere eine schlaffördernde Wirkung haben. Zu den Z-Drugs gehören Zolpidem, Zopiclon, Zaleplon und Eszoplicon. Sie werden auch Benzodiazepin-Analoga genannt.

Ebenso wie Benzodiazepine können Z-Drugs eine körperliche sowie psychische Abhängigkeit bewirken.



FAQ rund um Benzodiazepine und ihre Einnahme


Grundsätzlich, heilen Benzodiazepine eine Krankheit?
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Nein. Benzodiazepine dämpfen und unterdrücken Symptome, heilen tun sie nicht.

Kann ich unter Benzodiazepinen Autofahren?
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Benzodiazepine und Z-Drugs können das Reaktionsvermögen so verändern, dass die Teilnahme am Straßenverkehr beeinträchtigt wird.
Die Patienten sind über eine Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit vom Arzt aufzuklären. Diese ist sowohl in der Einstellungsphase als auch bei höherer Dosierung in der Erhaltungstherapie eingeschränkt. Die Reaktionsfähigkeit kann vermindert sein, außerdem werden gefahrvolle Situationen von den Patienten möglicherweise nicht mehr als solche wahrgenommen, so dass sie auch im Straßenverkehr unpassend oder möglicherweise gar nicht reagieren.

In Deutschland ist jeder Verkehrsteilnehmer dazu verpflichtet, vor Fahrantritt seine Fahrtüchtigkeit eigenverantwortlich sicherzustellen. Wer unter dem Einfluss von berauschenden Mitteln – zu denen Medikamenten, Drogen oder Alkohol zählen – ein Fahrzeug führt, muss gemäß § 24a Straßenverkehrsgesetz mit Sanktionen rechnen.

Wer es genau wissen will, aber insbesondere Menschen, die beruflich darauf angewiesen sind, Auto zu fahren, bzw. die Berufskraftfahrer sind, empfiehlt es sich, eine sogenannte Fahrtauglichkeitsprüfung durchführen zu lassen. Hierbei handelt es sich im Wesentlichen um eine psychologische Testung, die u.a. die Reaktionsfähigkeit misst. Die Testung ist freiwillig, das Ergebnis wird nicht an Behörden weitergeleitet. Die Testung hat also keinen Einfluss auf den Führerscheinbesitz, sollte man sie nicht bestehen, behält man den Führerschein trotzdem. Der Vorteil einer solchen Testung ist, dass man seine eigene Fahrtauglichkeit bewiesen hat und insofern nicht mehr dem Vorwurf ausgesetzt ist, man habe sich fahrlässig ans Steuer gesetzt.

Darf ich Alkohol trinken wenn ich Benzodiazepine einnehme?
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Das sollte auf jeden Fall vermieden werden, denn Alkohol verstärkt die Wirkung der Benzodiazepine und fördert die Entwicklung einer Abhängigkeit.
Je nach Substanz und Dosis kann es zu einer bedrohlichen Dämpfung des Atemzentrums kommen.

Können Benzodiazepine dem ungeborenen Leben schaden (Schwangerschaft)?
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Leider ja. Vor allem bei regelmäßiger Einnahme und hoher Dosierung, wobei dies nicht heißt, dass man sich bei einer einmaligen Einnahme oder niedriger Dosierung in Sicherheit wiegen kann.

Auch wenn Benzodiazepine ein eher geringes Risiko haben sich fruchtschädigend auszuwirken, so kann je nach Stadium der Schwangerschaft bereits eine einmaligen Einnahme zu einem unglücklichen Zeitpunkt zu Schädigungen und Missbildungen des Fötus führen.

Neugeborene, deren Mütter regelmäßig Benzodiazepine (vor allem im letzten Schwangerschaftsdrittel) eingenommen haben, leiden oft an Entzugssymptomen, dem sogenannten Floppy Infant Syndrom (Muskelschwäche, Trinkschwäche, Unterkühlung, niedriger Blutdruck, Atemprobleme). Aufgrund der möglichen Komplikationen ist es ratsam, für die Geburt ein entsprechend ausgerüstetes Krankenhaus (mit Neonatologie) aufzusuchen.

Auch sind bei Kindern, deren Mütter Benzodiazepine in der Schwangerschaft nahmen, vermehrt Entwicklungsprobleme, Lernprobleme, Verhaltensauffälligkeiten entdeckt worden.

Sollte man Benzodiazepine einnehmen und bemerken, dass man schwanger ist, muss unverzüglich der behandelnde Arzt / Neurologe / Gynäkologe kontaktiert werden.

Gibt es bei der Einnahme von Benzodiazepinen zusätzliche Risiken für ältere Menschen?
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Ja, die gibt es. Die Wirkdauer verlängert sich, weil der Körper Medikamente langsamer abbaut. Zudem reagiert das Gehirn älterer Menschen empfindlicher auf Benzodiazepine. Es kann zu Vergesslichkeit, Verwirrtheit, Gedächtnislücken und demenzähnlichen Symptome kommen. Die dauerhafte Einnahme eines Benzodiazepins erhöht bei bei älteren Patienten das Risiko, eine Demenz zu entwickeln.

Durch die muskelentspannende und müde machende Wirkung Wirkung steigt das Risiko für Stürze und Knochenbrüche.
Die Einschränkung von Urteilsfähigkeit, Geschicklichkeit und Reaktionsfähigkeit erhöht das Risiko für Unfälle.
Zudem kann es bei älteren Menschen verstärkt zu paradoxen Reaktionen mit Angst, Erregung oder Wahnvorstellungen kommen.

Ich habe keine Lust mehr auf Sex, fühle mich innerlich so betäubt. Ist das normal
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Ja, das ist eine typische Eigenschaft/Nebenwirkung der Benzodiazepine. Gefühle werden gedämpft oder blockiert. Dazu zählt beispielsweise Libidoverlust oder dieses Gefühl, Watte im Kopf zu haben.

Ich nehme seit Jahren eine gleichbleibende niedrige Dosis eines Benzodiazepins ein und hatte nie das Verlangen die Dosis zu steigern. Bin ich trotzdem abhängig?
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Du bist höchstwahrscheinlich körperlich abhängig, das heißt, wenn du das Benzodiazepin weglässt, bekommst du Entzugssymptome. Solange du das Benzodiazepin wie gewohnt weiter einnimmst, merkst du nicht, dass du abhängig bist. Diese Form der Abhängigkeit nennt sich Niedrigdosis-Abhängigkeit (Low Dose Dependency). Von Niedrigdosis-Abhängigkeit spricht man bei Tagesdosen, die 20 mg Diazepam-Äquivalente nicht übersteigen.

Diese Niedrigdosisabhängigkeit kann ernsthafte negative Auswirkungen auf den Gesundheitszustand der Betroffenen haben, sie kann insbesondere bei älteren Menschen zu Frakturen, Pneumonien oder Demenz führen.

Auch bei einer Niedrigdosisabhängigkeit sollte der Entzug langsam erfolgen.


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